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Nachweisgesetz: Mehr Vertragssicherheit auf Kosten von Effizienz und Nachhaltigkeit (Kommentar)

Vor gut einem Monat trat das neu angepasste Nachweisgesetz in Kraft. Verstößt etwa ein Arbeitgeber gegen das Nachweisgesetz, kann zukünftig ein Bußgeld von bis zu 2.000 Euro pro Verstoß fällig werden.

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Foto: ©Adobe Stock/MQ-Illustrations

Das Nachweisgesetz (NachwG) für Arbeitsverträge musste wegen der Umsetzung der EU-Arbeitsbedingungenrichtlinie neu gefasst werden. Das neue Nachweisgesetz ist seit dem 1. August 2022 in Kraft getreten – tatsächlich mit einigen Verbesserungen für die Arbeitnehmer. Verstößt etwa ein Arbeitgeber gegen das Nachweisgesetz, kann zukünftig ein Bußgeld von bis zu 2.000 Euro pro Verstoß fällig werden – bisher blieb ein Verstoß folgenlos. Aber: Das Bemühen um eine moderne Regelung wird vom Zwang zum Drucken auf Papier konterkariert.

Vor gut einem Monat trat das neu angepasste Nachweisgesetz in Kraft. Myrko Rudolph, Geschäftsführer der exapture und Digitalisierungsexperte, zieht eine erste Bilanz: „Schon seit 2019 auf EU-Ebene beschlossen, überführte nun auch Deutschland die entsprechenden Änderungen in die Gesetzessammlung. Seit dem 1. August wirkt diese Rechtsverordnung, erste Erfahrungen bei ihrer Umsetzung ließen sich nun sammeln und bewerten. Vorab: Grundsätzlich ist diese Anpassung zu begrüßen, denn die beschlossenen Regelungen bringen mehr Transparenz in die Arbeitsverträge, was jeglicher Vertragsschließung zugutekommt. Mit all den wichtigen und ehrenwerten Veränderungen kommen jedoch auch einige Probleme. Obwohl die Umsetzung einerseits einen Schritt vorwärts in Richtung Vertragssicherheit geht, handelt es sich in Sachen Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Bürokratie um zwei Sprünge rückwärts.

Verträge bewirken eine Verpflichtung und bezeugen eine Absichtserklärung mehrerer Parteien, sich gegenseitig eine Leistung zu erbringen. Die entstehende Verbindlichkeit schafft Planungssicherheit auf allen Seiten, denn entweder halten sich alle an die Abmachung und profitieren davon oder weichen ab, haben dann aber keinen rechtlichen Schutz. Ganz klar, diese juristisch gesicherten Abmachungen bilden einen signifikanten Bestandteil der Gesellschaft – sie so präzise wie möglich zu gestalten, ist in jedermanns Interesse. Kein Wunder also, dass das nun aktive Gesetz klar festlegt, welche Bestandteile in einen Arbeitsvertrag hineingehören: Wie lange dauert die Probezeit? Handelt es sich um eine befristete oder unbefristete Stelle? Wie geht das Unternehmen mit Überstunden um? In Anbetracht der vielen veralteten und dennoch weiterhin genutzten Arbeitsverträge, die oftmals noch schwammige Formulierungen verwenden, liefert das Gesetz viele positive Features, die für mehr Sicherheit sorgen.

Mehr Aufwand? – Ja, bitte!

Mit den vielen Vorteilen kommt jedoch auch ein mehr als frustrierendes Element: Um die Verbindlichkeiten nachweisbar zu machen, entschieden sich die Gesetzgeber, die Papierform festzulegen. Ursprünglich legte die Richtlinie dies nicht fest, erlaubte auch ausdrücklich die elektronische Nachweisbarkeit – viele Nachbarstaaten setzen bereits auf diese Möglichkeit. Nur Deutschland, das Land, in dem viele anscheinend noch an der Zeit vor Computern und Internet hängen, entschied sich bewusst dagegen. Die Bundesrepublik hinkt ohnehin schon bei der Digitalisierung hinterher und hat es sich deshalb auch zur großen Aufgabe gemacht, die Transformation nun beherzter in Angriff zu nehmen. Diesem Ziel wird sie nicht gerecht, die Entscheidung wirkt sogar anachronistisch. Papier muss schließlich beschafft, bedruckt, versendet, und archiviert werden – oftmals mehrfach, da alle Vertragspartner eine Anfertigung benötigen. Dass dies bereits absolut sicher und effizient auf dem Computer stattfinden kann, wurde in diesem Fall einfach ignoriert. Damit einher geht auch der Aufbau von vermeidbaren bürokratischen Prozessen. Schließlich müssen Sachbearbeiter die Verträge vorbereiten, organisieren, archivieren, verschicken – all das mit mehr Kosten- und Zeitaufwand gegenüber digitalen, automatisierten Prozessen. Natürlich tut dies auch der Umwelt keinen Gefallen.

Selbstverpflichtung konsequent durchsetzen

Wer eine Digitalisierung durchführen möchte, die ihrem Namen auch gerecht wird, darf solch einen Anachronismus eigentlich nicht zulassen. Dennoch haben die Entscheidungsträger eine Regelung verabschiedet, die im Nachhinein gleichermaßen lächeln und den Kopf schütteln lässt. Der Beschluss war maßgeblich von einem Misstrauen gegenüber digitalen Prozessen geprägt, das für Deutschland einzigartig ist. So wie viele Bürgerinnen und Bürger Bargeld bevorzugen, sehen politische Gesetzgeber Sicherheit ebenfalls nur in der physischen Welt gewährleistet. Dabei bleibt, was im Netz landet, bekanntermaßen ewig lebendig, während die physischen Äquivalente dem Verschleiß anheimfallen. Hier muss sich in der Politik etwas ändern, dürfen Politiker die Digitalisierung nicht als leere Worthülse benutzen, nur des reinen Lippenbekenntnisses wegen. Sie benötigt Visionen und die Selbstverpflichtung, sie im Zweifelsfall auch durchzusetzen, damit sich die Transformation in eine Richtung bewegt, die der Bundesrepublik gerecht wird.“

 

 

Foto: exapture

Myrko Rudolph, Geschäftsführer bei exapture

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