Digitale Souveränität und die neue Rolle des Chief Resilience Officers: Resilienz statt Abwehr
Hypothetische Krisenszenarien sind für Unternehmen zur Realität geworden: Mitarbeiter dürfen nicht mehr in die USA einreisen, Anbieter blockieren plötzlich E-Mails, und internationale Verträge gelten über Nacht nicht mehr. Klassische IT-Sicherheit greift in dieser instabilen geopolitischen Ordnung zu kurz. Es geht nicht mehr nur um Abwehr, sondern um Handlungsfähigkeit unter erschwerten Bedingungen – es geht um Resilienz.

Resilienz beschreibt die Fähigkeit eines Unternehmens, auch unter Druck stabil und handlungsfähig zu bleiben und sich gezielt weiterzuentwickeln, unabhängig davon, ob es auf Cyberangriffe, Lieferkettenausfälle oder geopolitische Schocks reagieren muss. Es geht nicht darum, Störungen zu verhindern, sondern vielmehr darum, robust, agil und anpassungsfähig zu sein, wenn sie eintreten.
Wie entscheidend diese Fähigkeit ist, zeigt ein Blick in den von F24 gesponserten „Resilience: Vision 2030“-Report des Business Continuity Institute (BCI): 86,7 Prozent der über 200 befragten Fachleute aus mehr als 50 Ländern sehen in der Vermeidung von Betriebsunterbrechungen den größten betriebswirtschaftlichen Nutzen von Resilienzmaßnahmen.
In der Praxis konzentrieren sich viele Unternehmen weiterhin auf die technische Verteidigung gegen Cyberbedrohungen durch Firewalls, Verschlüsselung und Patch-Management. All das ist nach wie vor wichtig, jedoch benötigen Firmen heute einen ganzheitlichen Ansatz, der über den Schutz einzelner Systeme hinausgeht. Dieser setzt sich aus unterschiedlichen Bausteinen zusammen.
Chief Resilience Officer als neue Führungsposition
Ein wirksamer Resilienzansatz basiert auf drei zentralen Prinzipien: Zunächst braucht es eine umfassende Kritikalitätsanalyse, die sowohl technische als auch organisatorische Schwachstellen etwa bei Systemabhängigkeiten, Lieferketten oder fehlenden Qualifikationen im Team sichtbar macht. Darauf folgt die Stabilisierung:
Wo immer möglich, gilt es Risiken durch den Einsatz sicherer Technologien, souveräner Partner und redundanter Kommunikationswege zu minimieren. Schließlich ist strategische Steuerung entscheidend. Resilienz entsteht nicht nebenbei. Sie erfordert Verantwortung auf C-Level, klare Zuständigkeiten und eine kontinuierliche Weiterentwicklung anhand messbarer Kennzahlen (Key Performance Indicator, KPIs).
Wie eine Verankerung auf C-Level-Ebene aussehen kann, dazu haben viele bereits konkrete Ideen: Im „Resilience: Vision 2030“-Report sprechen sich 73 Prozent der Fachleute für die Einführung eines Chief Resilience Officers (CRO) aus. Benötigt werden nicht klassische Krisenmanager, sondern strategische Querschnittsverantwortliche mit Überblick über IT, Compliance, Lieferketten und Kommunikation.
Ein CRO soll den notwendigen organisatorischen Rahmen schaffen: Die Person koordiniert unternehmensweite Resilienzstrategien, definiert klare Verantwortlichkeiten und fördert funktionsübergreifende Zusammenarbeit, die laut Report der zentrale Erfolgsfaktor für Resilienzprogramme ist (64,6 Prozent).
Adaptive Technologien ersetzen statische Notfallpläne
Jedoch entsteht Resilienz nicht allein durch stabile Strukturen, sie benötigt auch Werkzeuge, die im Ernstfall Orientierung, Geschwindigkeit und Überblick ermöglichen. KI-gestützte Risikoanalysen, Echtzeit-Dashboards oder simulationsbasierte Szenarienplanung erlauben mittlerweile eine vorausschauende und dynamische Steuerung von Risiken. Damit leisten sie genau das, was eine moderne Resilienzfähigkeit erst möglich macht: schnell reagieren, gezielt entscheiden und dauerhaft lernen.
Statt statischer Notfallpläne kommen adaptive Systeme zum Einsatz, die sich kontinuierlich an neue Bedrohungslagen anpassen. Besonders in kritischen Bereichen wie Kommunikation, Governance oder Supply Chain Management liefern digitale Tools transparente Entscheidungsgrundlagen und Frühwarnmechanismen und damit genau den Zeitvorsprung, der im Ernstfall erforderlich ist. Wer Resilienz ernst nimmt, muss nicht nur in Strukturen, sondern auch in die richtigen Technologien investieren.
Europäische IT-Partner als Souveränitätsfaktor
Wer auf Tools blickt, beschäftigt sich automatisch mit einem weiteren Baustein zeitgemäßer Resilienzstrategien: Ein bisher häufig vernachlässigter Hebel zur Steigerung organisationaler Resilienz liegt im Einkauf, genauer gesagt in der Wahl der IT-Dienstleister.
Unternehmen, die auf europäische Anbieter setzen, stärken nicht nur ihre IT-Sicherheit, sondern auch ihre digitale Souveränität. Datenhoheit und rechtssichere Systemkontrolle sind keine Formalitäten, vielmehr handelt es sich gerade in Krisenzeiten um Überlebensbedingungen für Betriebe. Zu den Vorteilen europäischer IT-Partner zählen unter anderem:
- Rechtssicherheit und Datenschutz: Europäische Anbieter unterliegen nicht extraterritorialen Gesetzen wie dem US‑CLOUD‑Act. Dadurch bleiben Unternehmens- und Personaldaten auch im Fall geopolitischer Spannungen innerhalb des Schutzrahmens der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO).
 - Stabile Regulierungsumgebung: Rechtssicherheit bedeutet planbare Sicherheit. Europäische Anbieter agieren in einem demokratisch legitimierten Umfeld mit transparenten, langfristig angelegten Gesetzgebungsprozessen. Plötzliche Serviceeinschränkungen oder regulatorische Kehrtwenden sind weitgehend ausgeschlossen.
 - Lieferkettenstabilität: Geografische, kulturelle und organisatorische Nähe kann die Zusammenarbeit stärken. Europäische Anbieter sprechen oft dieselbe Sprache, kennen die hiesigen regulatorischen Anforderungen und arbeiten mit lokalen Teams, was Prozesse stabilisieren kann.
 - Vermeidung geopolitischer Abhängigkeiten: Unternehmen, die sich zu stark auf Anbieter aus geopolitisch instabilen Regionen verlassen, riskieren hohe Folgekosten – von rechtlicher Unsicherheit bis zu Betriebsunterbrechungen.
 - Transparenz und Innovationskraft: Europäische Rahmenwerke wie die Verordnung über künstliche Intelligenz (AI Act) oder die überarbeitete Richtlinie über Netz- und Informationssicherheit (NIS-2) schaffen klare Standards für neue Technologien. So entstehen robuste, interoperable und zukunftsfähige Lösungen – und damit eine Grundlage für echte digitale Widerstandsfähigkeit. Das bedeutet: Wer bewusst europäisch einkauft, priorisiert Souveränität als zentralen Baustein seiner Resilienzstrategie.
 
IT-Sicherheit wird zur Vertrauensfrage
Dass IT-Sicherheit nicht nur ein technisches, sondern auch ein politisches Thema ist, zeigen Entwicklungen wie die gezielte Instrumentalisierung digitaler Infrastrukturen durch Staaten. Das bedeutet, dass Vertrauen zum zentralen Steuerungsfaktor wird: Wer seine Kommunikation nicht souverän führen oder seine kritischen Systeme nicht rechtssicher betreiben kann, verliert im Ernstfall nicht nur Zugriff, sondern auch Handlungsfähigkeit.
Damit genau das nicht passiert, braucht es eine umfassende IT-Sicherheit als starke Basis. Sie wird zur strategischen Investition in die Resilienz. Unternehmen, die diese Perspektive einnehmen, profitieren doppelt: Sie schützen nicht nur ihre Daten, sondern sichern sich Handlungsfähigkeit und damit den entscheidenden Vorsprung in einer Welt, in der Unsicherheit die neue Normalität ist.

Eske Ofner ist Head of Sales bei F24 AG.
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