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Konforme Prozesse für NIS-2, DORA und die DSGVO: Vorfallsmanagement aus Sicht der Regulatorik

Regulierungen wie NIS-2, DORA und die DSGVO geben Unternehmen einen Rahmen vor, um Vorfälle strukturiert zu managen, Risiken zu minimieren und das Vertrauen von Kunden und Partnern zu stärken. Doch wie muss ein effektives Incident-Management aufgebaut sein, um die gesetzlichen Anforderungen zuverlässig zu erfüllen?

7 Min. Lesezeit
Vorfallsmanagement, dargestellt in Form eines Holzturms
Foto: ©AdobeStock/Papisut

Hinweis: Dieser Artikel stammt aus der Ausgabe 1/2025 der Zeitschrift IT-SICHERHEIT. Das komplette Heft können Sie hier herunterladen. (Registrierung erforderlich)

Die digitale Welt bietet Chancen ohne Grenzen, aber auch Risiken, die Unternehmen täglich herausfordern. Hackerangriffe, Systemausfälle oder Datenschutzverletzungen können immense Schäden anrichten und nicht nur die IT, sondern auch das Vertrauen von Kunden und Partnern erschüttern. Um solche Bedrohungen nicht nur abzuwehren, sondern auch gesetzeskonform zu behandeln, rücken Regulierungen wie die zweite EU-Richtlinie zur Netzwerk- und Informationssicherheit (NIS-2), der Digital Operational Resilience Act (DORA) und die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) ins Rampenlicht. Diese Regulierungen schreiben klare Prozesse vor und machen Vorfallsmanagement zur strategischen Notwendigkeit.

Doch wie sieht ein solider Umgang mit IT-Vorfällen in der Praxis aus? Und warum spielt die digitale Forensik dabei eine Schlüsselrolle? Der vorliegende Artikel nimmt die Anforderungen und Chancen, die sich für Unternehmen  im Rahmen des Aufbaus und Betriebs eines den regulatorischen Anforderungen entsprechenden Vorfallsmanagements bieten, näher unter die Lupe.

Regulierungen, die den Takt vorgeben

NIS-2: Cybersicherheit für kritische Infrastrukturen

NIS-2 setzt europaweit neue Standards für Unternehmen in kritischen Branchen wie Energie, Gesundheit oder Verkehr. Die Richtlinie verlangt, dass Vorfälle nach ihrer Schwere bewertet und erhebliche Störungen innerhalb von 24 Stunden gemeldet werden. Zusätzlich fordert NIS-2 klare Maßnahmenpläne, regelmäßige Risikoanalysen und einen schnellen Austausch zwischen Unternehmen und Behörden.

DORA: Resilienz im Finanzsektor

Im Finanzsektor hebt DORA die Bedeutung digitaler Resilienz auf ein neues Level. Die Verordnung zielt darauf ab, die gesamte Branche widerstandsfähiger gegen IT-Störungen zu machen. Finanzinstitute müssen nicht nur IT-Risiken behandeln, sondern auch regelmäßige Stresstests durchführen und schwerwiegende Vorfälle ebenfalls binnen 24 Stunden melden. Die Anforderungen sind umfassend – doch wer sie erfüllt, gewinnt langfristig Vertrauen und Stabilität.

DSGVO: Schutz der Daten, Schutz der Kunden

Die DSGVO stellt den Schutz personenbezogener Daten ins Zentrum. Bei Datenschutzverletzungen müssen Unternehmen nicht nur innerhalb von 72 Stunden die zuständigen Behörden informieren, sondern auch Maßnahmen ergreifen, um den Schaden einzudämmen. Transparenz und schnelle Kommunikation sind hier keine Option, sondern Pflicht.

Aufbau konformer Vorfallsmanagement-Prozesse

Ein effektives Vorfallsmanagement ist kein starrer Prozess, sondern eine flexible Struktur, die Unternehmen in die Lage versetzt, Vorfälle schnell und präzise zu bewältigen. Dabei kommt es auf eine durchdachte Kombination
aus Prävention, Reaktion, Analyse und Kommunikation an. Die folgenden fünf Schritte verdeutlichen, wie Unternehmen regulatorischen Anforderungen gerecht werden und gleichzeitig ihre digitale Resilienz stärken können.

1. Prävention – besser vorbeugen als heilen

Der Schlüssel zu einem erfolgreichen Vorfallsmanagement liegt in der Vermeidung von Risiken. Unternehmen müssen proaktiv handeln, um potenzielle Schwachstellen in ihrer IT-Landschaft zu identifizieren und Sicherheitslücken zu schließen. Zudem ist Prävention nicht nur ein technisches Thema, sie beginnt bei der Unternehmenskultur. Nur wenn Sicherheit als Teil der täglichen Arbeitsweise verstanden wird, können langfristig
Vorfälle reduziert werden.

  • Regelmäßige Sicherheitsprüfungen: Tools wie Schwachstellen-Scans und Penetrationstests helfen, Sicherheitslücken aufzudecken. Diese Maßnahmen sind besonders im Kontext von DORA relevant, der regelmäßige Tests der digitalen Resilienz vorschreibt.
  • Mitarbeiterschulungen: Da menschliches Fehlverhalten oft die Ursache für Vorfälle ist, legen sowohl DSGVO und DORA als auch NIS-2 großen Wert auf die Sensibilisierung von Mitarbeitern, besonders in Form von Schulungen, Simulationen sowie sogenannten Security- und Privacy-Championsprogrammen. Dabei sollte das Bewusstsein für Themen wie Phishing, sichere Passwörter und Social Engineering regelmäßig geschärft werden.
  • Investitionen in moderne Sicherheitslösungen: Tools wie Firewalls und automatisierte Monitoring-Software schaffen eine erste Verteidigungslinie. Sowohl DORA als auch NIS-2 fordern von Unternehmen, Mechanismen zur Erkennung und Prävention von Bedrohungen wie automatisierte Monitoring- und Sicherheitslösungen einzurichten.

2. Reaktionsfähigkeit – im Ernstfall bereit

Wenn trotz Präventionsmaßnahmen ein Vorfall auftritt, ist schnelles Handeln gefragt. Denn eine schnelle Reaktion kann den Unterschied machen: Je eher der Vorfall erkannt und eingedämmt wird, desto geringer sind die
finanziellen, rechtlichen und reputationsbezogenen Folgen. Ein klar definierter „Incident-Response-Plan“ sorgt dafür, dass alle Beteiligten wissen, was zu tun ist, um die richtigen Schritte einzuleiten.

  • Klare Verantwortlichkeiten: Wer ist zuständig, wenn ein Vorfall erkannt wird? Ein gut durchdachter Plan definiert Rollen und Eskalationsstufen, um Chaos zu vermeiden.
  • Kategorisierung und Priorisierung: Vorfälle werden nach Art und Schweregrad eingestuft, um Ressourcen effizient einzusetzen. Hierbei helfen Standards, die insbesondere in DORA und NIS-2 definiert sind.
  • Kommunikation: Interne und externe Kommunikationskanäle müssen frühzeitig aktiviert werden, um alle Beteiligten – von IT-Teams bis zu Führungskräften – auf dem neuesten Stand zu halten.

3. Ausbreitung stoppen, Kontrolle übernehmen

Die Eindämmung ist der nächste Schritt nach der Erkennung eines Vorfalls. Ziel ist es, die Auswirkungen zu minimieren und eine weitere Ausbreitung zu verhindern.

  • Isolation betroffener Systeme: Systeme oder Netzwerke werden vom Internet getrennt, um den Angreifer zu blockieren. Dies ist besonders bei Vorfällen gemäß DORA und NIS-2 wichtig, da kritische Infrastrukturen schnell geschützt werden müssen.
  • Sicherstellung kritischer Prozesse: Unternehmen müssen gewährleisten, dass essenzielle Dienstleistungen weiterhin verfügbar bleiben. NIS-2 fordert speziell von Betreibern kritischer Infrastrukturen, Notfallmaßnahmen für solche Szenarien bereitzuhalten.
  • Kommunikation mit internen Teams: Eine strukturierte Kommunikation sorgt dafür, dass alle Beteiligten informiert sind und koordiniert arbeiten.

4. Forensik – die Kunst, Antworten im Chaos zu finden

Nach der Bewältigung eines Vorfalls ist die digitale Forensik der nächste essenzielle Schritt. Sie hilft, den Vorfall systematisch aufzuarbeiten und wertvolle Erkenntnisse für die Zukunft zu gewinnen. Die Erkenntnisse fließen in die Verbesserung von Sicherheitsmaßnahmen und Notfallplänen ein. So wird jeder Vorfall zur Lernchance, die die Organisation langfristig stärkt.

  • Ursachenanalyse: Was genau hat den Vorfall ausgelöst? Forensiker untersuchen Systeme, Logs und andere Datenquellen, um den Angriffsvektor zu identifizieren. Das ist besonders im Rahmen von DSGVO-Meldungen wichtig, um den Umfang eines Datenlecks zu dokumentieren.
  • Beweissicherung: In vielen Fällen sind rechtliche Schritte gegen Angreifer erforderlich. Hierfür müssen digitale Beweise gesammelt und manipulationssicher aufbewahrt werden.
  • Langfristige Verbesserung: Forensische Erkenntnisse fließen in die Sicherheitsstrategie ein, um Schwachstellen zu schließen und Prozesse zu optimieren.

5. Wiederherstellung – zurück zum Normalbetrieb

Die letzte Phase konzentriert sich auf die Wiederherstellung des normalen Geschäftsbetriebs und die Sicherstellung, dass alle Systeme ordnungsgemäß und sicher arbeiten. Die Wiederherstellung zeigt nicht nur, dass das Unternehmen handlungsfähig ist, sondern stärkt auch das Vertrauen von Kunden und Partnern.

  • Systemtests: Vor der Wiederinbetriebnahme werden Systeme gründlich geprüft, um verbleibende Schwachstellen auszuschließen und die Funktionalität der Sicherheitsmaßnahmen sicherzustellen. Erst nach erfolgreicher Prüfung werden sie wieder an das Netzwerk angeschlossen.
  • Überwachung: Nach der Wiederherstellung bleibt eine erhöhte Überwachung aktiv, um sicherzustellen, dass keine Restbedrohungen bestehen.
  • Kommunikation mit Stakeholdern: Kunden, Partner und Behörden müssen über den Abschluss des Vorfalls informiert werden.

Fazit

Ein strukturiertes Vorfallsmanagement ist essenziell, um Unternehmen nicht nur vor IT-Vorfällen zu schützen, sondern auch regulatorischen Anforderungen gerecht zu werden. Die DSGVO, NIS-2 und DORA setzen dabei klare
Rahmenbedingungen, die Unternehmen sowohl zur Prävention als auch zur schnellen und effektiven Reaktion auf Vorfälle verpflichten. Die DSGVO legt den Schwerpunkt auf den Schutz personenbezogener Daten und verlangt transparente Meldeprozesse bei Datenschutzverletzungen.

NIS-2 adressiert den Schutz kritischer und sonstiger für das Gemeinwesen wichtiger Infrastrukturen und fordert Maßnahmen, die den kontinuierlichen Betrieb sicherstellen und eine zeitnahe Meldung schwerwiegender Vorfälle garantieren. DORA geht einen Schritt weiter und verlangt von Finanzunternehmen, ihre digitale Resilienz durch regelmäßige Tests und robuste Reaktionspläne zu stärken.

Indem Unternehmen alle fünf Schritte – von der Prävention bis zur Wiederherstellung – konsequent umsetzen, erfüllen sie nicht nur diese regulatorischen Vorgaben, sondern stärken auch ihre langfristige Widerstandsfähigkeit
gegen Bedrohungen. Digitale Forensik spielt dabei eine zentrale Rolle, da sie hilft, Ursachen zu verstehen und aus Vorfällen zu lernen. Mit einem gut strukturierten Vorfallsmanagement zeigen Unternehmen, dass sie proaktiv handeln, den regulatorischen Anforderungen entsprechen und das Vertrauen von Kunden und Partnern stärken können. In einer zunehmend vernetzten Welt ist dies nicht nur eine gesetzliche Verpflichtung, sondern ein strategischer Vorteil.

Porträt Dorsa Taghehchian

Dorsa Taghechian ist als Senior Legal Consultant bei der ISiCO GmbH tätig und berät Unternehmen im Bereich Informationssicherheit mit besonderem Schwerpunkt auf Risikomanagement. Ihre Tätigkeit wird
durch ihre Qualifikation als Volljuristin und TÜVzertifizierte Compliance Officer unterstützt.

Porträt Dr. Jan Scharfenberg, LL.M.

Dr. Jan Scharfenberg, LL.M. (Stellenbosch) ist als Rechtsanwalt bei der Kanzlei Schürmann
Rosenthal Dreyer im Bereich Datenschutz- und Informationssicherheitsrecht tätig. Zudem arbeitet
er als Director für den Bereich Informationssicherheit bei der ISiCO Datenschutz GmbH.
www.srd-rechtsanwaelte.de

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