Künstliche Intelligenz in Europa: Datenschutz als Innovationsbremse?
Der europäische Umgang mit Künstlicher Intelligenz steht vor entscheidenden Weichenstellungen: Noch im Dezember will der Europäische Datenschutzausschuss eine richtungsweisende Stellungnahme vorlegen. Währenddessen warnt der Digitalverband Bitkom vor wachsender Rechtsunsicherheit und möglichen Wettbewerbsnachteilen für die KI-Entwicklung und den Einsatz in Europa.
Der Einsatz und die Entwicklung von Künstlicher Intelligenz (KI) könnten in Europa bald deutlich komplizierter werden. Darauf weist der Digitalverband Bitkom hin, kurz bevor der Europäische Datenschutzausschuss (EDSA) eine neue Stellungnahme zum Verhältnis von KI und Datenschutz veröffentlichen will. Es wird befürchtet, dass der EDSA festlegt, dass das in der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) vorgesehene berechtigte Interesse nur noch in Ausnahmefällen als Rechtsgrundlage für die Verarbeitung personenbezogener Daten für das Training von KI-Modellen genutzt werden darf.
Unternehmen müssten in diesem Fall für jede Nutzung eine ausdrückliche, jederzeit widerrufbare Einwilligung einholen. Alternativ bliebe nur die vollständige Anonymisierung von Daten, was jedoch technisch nicht immer umsetzbar ist und vor allem kleinere und mittlere Unternehmen vor erhebliche Herausforderungen stellt.
EDSA entkoppelt von Wirtschaftsinteressen
„Wir dürfen bei KI keine Vollbremsung machen,“ mahnt Susanne Dehmel, Mitglied der Bitkom-Geschäftsleitung. „Entwicklung und Einsatz von KI sind entscheidend für unsere Wettbewerbsfähigkeit und digitale Souveränität. Es ist umso bedauerlicher, dass der EDSA vor einer so weitreichenden Entscheidung keinen echten Dialog mit der Wirtschaft gesucht hat.“
Der EDSA, der die nationalen Datenschutzbehörden vereint, sorgt für die einheitliche Anwendung der DS-GVO. Seine Stellungnahmen sind zwar nicht bindend, dienen jedoch als Orientierung für nationale Datenschutzbehörden und Gerichte, darunter auch den Europäischen Gerichtshof. Sollte der EDSA die Nutzung des berechtigten Interesses weiter einschränken, könnte das zu erheblicher Rechtsunsicherheit für Unternehmen führen – sowohl für jene, die KI-Modelle entwickeln und trainieren, als auch für Unternehmen, die bestehende Modelle mit eigenen Daten anpassen.
Bereits heute betrachten 70 Prozent der Unternehmen, die KI einsetzen, Datenschutzverstöße als größtes Risiko. Über die Hälfte gibt an, dass Datenschutzvorgaben den Einsatz von KI erschweren.
Klare Vorgaben für Interessenabwägung gefordert
Bitkom fordert daher klare Regelungen: Das berechtigte Interesse von Unternehmen sollte als ausreichende Rechtsgrundlage anerkannt werden, solange die Interessen der betroffenen Personen nicht überwiegen. Zudem sollten transparente Vorgaben für die Abwägung zwischen Unternehmensinteressen und Datenschutz geschaffen werden, um Rechtssicherheit zu gewährleisten.
Auch bei der Entscheidungsfindung durch den EDSA wünscht sich Bitkom mehr Einbindung der Wirtschaft. Verbindliche und transparente Konsultationsverfahren auf nationaler und europäischer Ebene könnten technische und praktische Herausforderungen besser berücksichtigen.
„Datenschutz ist ein hohes Gut und Teil unseres demokratischen Wertesystems,“ betont Dehmel. „Wir müssen die Spielräume des europäischen Datenschutzrechts nutzen, statt uns auf die strengstmögliche Auslegung zu beschränken. Schon heute gibt es KI-Dienste, die wegen rechtlicher Unsicherheit nicht in Europa angeboten werden – das schadet nicht nur der Wirtschaft, sondern auch den Bürgerinnen und Bürgern, die von technologischen Fortschritten abgekoppelt werden.“
Das vollständige Bitkom-Positionspapier (in Englisch) steht hier zum Download bereit.
Susanne Dehmel, Mitglied der Geschäftsleitung KI & Daten