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Kommentar: Warum das Bundesverfassungsgericht der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung eine Absage erteilt hat

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat Ende März drei Beschwerden abgelehnt, die gegen Regeln im Telekommunikationsgesetz und der Strafprozessordnung gerichtet waren. Diese Regeln erlaubten das Speichern von Daten über Telefongespräche und Standorte, auch wenn es keinen bestimmten Grund dafür gab – auch bekannt als anlasslose Vorratsdatenspeicherung (VDS).

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Ein rotes Wegweiserschild mit der Aufschrift „Vorratsdatenspeicherung“ weist nach links in einen Tunnel aus Binärcode, im Hintergrund das Wappen des Deutschen Adlers. Dieses Thema gibt Hinweise darauf, warum das Bundesverfassungsgericht der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung eine Absage erteilt hat.
Foto: ©AdobeStock/bluedesign

Von Peer Heinlein

Die Entscheidung des BVerfG stand im Schatten eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom September 2022, welches das umstrittene Gesetz der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung als nicht vereinbar mit EU-Recht bewertet hatte. Nun hat das BVerfG diese Position des EuGH mit weiteren Nachweisen bestätigt und somit die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes bestätigt.

Die anlasslose Vorratsdatenspeicherung hätte die präventive Erfassung aller Kommunikationsdaten der Bürger zur Folge, inklusive Verbindungsdaten von Anrufen, SMS und IP-Adressen mit Standortinformationen. Dies würde einen Eingriff in die Grundrechte der Bürger darstellen. Experten sprechen von einem „Generalverdacht“ gegenüber den eigenen Bürgern, welcher einen wesentlichen Grundsatz des deutschen Rechtssystems – die Unschuldsvermutung – außer Kraft setzen würde.

Der E-Mail-Anbieter „mailbox.org“, hat als Repräsentant der Internet- und Provider-Wirtschaft im Februar 2018 Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz eingereicht. Die Verfassungsbeschwerde erfolgte gemeinsam mit dem Verein „Digitalcourage“, dem deutschen Journalistenverband DJV und anderen Stellvertretern der Zivilgesellschaft.

„Dass diese Verfassungsbeschwerde geführt wurde, ist richtig und wichtig gewesen“, so Peer Heinlein, Gründer und Geschäftsführer von mailbox.org. „Einmal mehr hat das Bundesverfassungsgericht die Grundrechte gestärkt und der übergriffigen Überwachungspolitik eine Absage erteilt. Es hat klargestellt, wie wichtig eine freie, nicht-überwachte Kommunikation als Grundlage der Gedanken- und Meinungsfreiheit ist. Die deutsche Politik hat über Jahre immer und immer wieder neu versucht, die Vorratsdatenspeicherung durch die Hintertür einzuführen. Es ist gesellschaftlich notwendig, dass dieses Thema ein für alle Mal beendet ist. Dies müssen auch konservative politische Kreise einsehen, die sich dies anders wünschen würden.

Peer Heinlein sagte, dass der Erfolg der Beschwerde auch die Bedeutung von gesellschaftlich und demokratisch orientierten Kommunikationsanbietern wie mailbox.org zeige. Der Absturz der einst populären Kommunikationsplattform Twitter habe gezeigt, dass verteilte dezentrale Alternativen wichtig seien. Im Gegensatz zu kommerziellen Großanbietern wie Twitter und anderen überwachten diese Anbieter die freie und sichere Kommunikation und scheuten weder Kosten noch Mühen, um diese aufwändig zu verteidigen. Sie seien der Gegenpol zur Machtbündelung der Kommunikation bei großen Anbietern und damit ein wichtiger Grundpfeiler demokratischer Strukturen und der freien und sicheren Kommunikation im Internet.

Ein lächelnder Mann mit kurzem Haar, Spitzbart und hellblauem Hemd steht im Freien vor einer verschwommenen Kulisse aus Grün und einem Weg. Sein Gesichtsausdruck spiegelt die gleiche Klarheit wider wie damals, als das Bundesverfassungsgericht die anlasslose Vorratsdatenspeicherung entschieden ablehnte.
Foto: mailbox.org

Peer Heinlein ist Gründer und Geschäftsführer von mailbox.org.

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