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Cyberangriffe 2026: Neue Methoden, neue Risiken – und neue Verantwortung

Die Cyberbedrohungen des Jahres 2026 werden vielfältiger, raffinierter und stärker automatisiert sein als je zuvor. Experten prognostizieren einen tiefgreifenden Wandel: Angriffe verschieben sich von Passwörtern zu SaaS-Berechtigungen, von Social Engineering zu KI-gestützten Dienstleistungsmodellen und von klassischer Ransomware zu gezielten Lieferketten-Erpressungen.

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Cybersecurity 2026 - Digitales Schloss auf Laptop mit Netzwerksicherheit und Datenschutz-Technologie
Foto: ©AdobeStock/ABDULLAH/KI

Drei ausgewiesene Sicherheitsexperten von Forescout zeichnen ein klares Bild der Cyberbedrohungen, die Unternehmen im Jahr 2026 erwarten. Rik Ferguson, Daniel dos Santos und Kristian von Mejer analysieren globale Angriffstrends, technologische Risiken und die besondere Verwundbarkeit Europas und der DACH-Region – und zeigen, warum Resilienz zum entscheidenden Faktor der kommenden Jahre wird.

Berechtigungen statt Passwörter: Token-Hopping als neuer Angriffsweg

Angreifer richten ihren Fokus zunehmend auf Berechtigungen innerhalb von Software-as-a-Service-Plattformen. Nicht länger Passwörter, sondern OAuth-Zustimmungen und Aktualisierungstoken werden zum Ziel. Legitime Integrationen in Microsoft 365, Salesforce oder Slack ermöglichen es Angreifern, sich unbemerkt zwischen Mandanten zu bewegen – selbst dann, wenn ein Passwort zurückgesetzt wurde.

Diese „Token-Hopping“-Kampagnen werden 2026 zu einem der effektivsten Angriffswege aufsteigen. Da passwortlose Verfahren weiter an Bedeutung gewinnen, wird der Missbrauch von OAuth langfristig effektiver sein als klassisches Phishing. Verteidiger müssen Autorisierungen inventarisieren, Funktionen der entsprechenden Anwendungen einschränken und ungenutzte Token konsequent widerrufen.

Social Engineering als Dienstleistung: KI befeuert eine neue Schattenindustrie

Der Einsatz von KI wird 2026 weit über täuschende Nachrichten hinausgehen. Social Engineering as a Service entwickelt sich zum Standardmodell des Untergrunds. Vorproduzierte Angriffskits umfassen KI-Stimmklone, gefälschte Autorisierungsseiten und komplette Anrufskripte.

Teurere Pakete beinhalten sogar erfahrene Social-Engineering-Spezialisten, die Angriffe im Auftrag durchführen. Selbst unerfahrene Kriminelle können so Helpdesks täuschen und mehrstufige Authentifizierungsverfahren umgehen. Sicherheitsteams müssen jede Konversation – ob per Telefon oder Chat – als potenziell manipuliert betrachten und Verifizierungsprozesse in jeden Workflow integrieren.

Quantencomputing: Die Vorbereitungen müssen jetzt beginnen

Quantenrisiken sind längst nicht mehr hypothetisch. Unternehmen, deren Netzwerkgeräte fünf Jahre oder länger im Einsatz sind, müssen 2026 mit der Migration zu post-quantenfähigen Kryptografien beginnen. Dazu gehören die Identifikation von Systemen, die keine modernen Algorithmen unterstützen, sowie die Isolierung der betroffenen Hardware.

Ohne frühzeitige Planung wird der Übergang zur Post-Quanten-Ära zu chaotischen Umstellungen führen – mit massiven Betriebsrisiken.

Lieferketten unter Druck: Ransomware wird strategischer

Klassische Erpressungskampagnen verlieren an Bedeutung. Statt Dateien zu verschlüsseln, setzen Angreifer zunehmend auf „Reverse-Ransom“-Angriffe. Dabei kompromittieren sie kleine Zulieferer und setzen die nachgelagerten Unternehmen – jene mit höheren finanziellen Mitteln – unter Druck.

Eine beispielhafte Drohnachricht zeigt die neue Dimension: Der Angreifer legt bewusst einen kritischen vorgelagerten Partner lahm und verlangt Geld vom großen Endabnehmer, der Produktionsausfälle fürchtet. Die Folge: selbst kleinere Sicherheitsvorfälle können branchenweite Auswirkungen auslösen.

Edge als Einfallstor: IoT- und Netzwerkgeräte rücken in den Fokus

Router, Firewalls, VPN-Geräte und IP-Kameras werden 2026 zu Hauptzielen. Über zwanzig Prozent der neu ausgenutzten Schwachstellen entfielen 2025 auf solche Geräte, 2026 könnten es über dreißig Prozent werden. Viele dieser Systeme liegen außerhalb der Reichweite klassischer Erkennungs- und Reaktionsmechanismen.

Die nächste Phase im Expositionsmanagement wird daher die Inventarisierung jedes einzelnen Geräts erfordern – unabhängig davon, ob es über Agenten abgesichert ist oder nicht.

Spezialisierte Cyberkriminalität: Gemeinsame Werkzeuge, fragmentierte Strukturen

Cyberkriminalität entwickelt sich noch stärker als bisher zu einer arbeitsteiligen Industrie. Zugangshändler, Datendiebe und Erpresser agieren konzertiert und nutzen gemeinsame Toolkits sowie dieselben Frameworks. Die Grenzen zwischen Bedrohungsgruppen verschwimmen. Nicht der Name einer Gruppe, sondern typische Verhaltensmuster werden künftig der beste Hinweis auf Attribution sein.

Hacktivismus 2026: Verwirrung als strategische Waffe

Hacktivisten, Faketivisten und staatlich gelenkte Akteure werden zunehmend auf psychologische Effekte setzen. Durch öffentliche Behauptungen und minimale Eingriffe in Systeme werden Zweifel gesät, die Betreiber kritischer Infrastrukturen unter Druck setzen. Allein die Furcht vor Schäden kann dazu führen, dass Anlagen vorsorglich abgeschaltet werden. Die einzig wirksame Gegenwehr: Sichtbarkeit, Segmentierung und klare Bedrohungserkennung.

Prognosen für die DACH-Region: Lieferkettenrisiken und digitale Souveränität

Der deutschsprachige Markt wird 2026 besonders unter Lieferketten-Erpressung leiden. Kleine industrielle Zulieferer geraten ins Visier, während große Auftraggeber die finanziellen Schäden tragen. Mit NIS2 steigt zudem der regulatorische Druck: Unternehmen müssen künftig nicht nur ihre eigene Cyberresilienz nachweisen, sondern auch die ihrer Lieferanten.

Parallel verändert der Ruf nach digitaler Souveränität die Infrastrukturstrategie. „EU-only“-Cloudzonen gewinnen an Bedeutung, während lokale Dienstleister umfassende Sicherheitsnachweise erbringen müssen. Compliance wird im kommenden Jahr von einer Pflicht zur Marktanforderung.

Fazit: 2026 wird das Jahr der Resilienz

Die Prognosen zeichnen ein klares Bild: Unternehmen müssen Angriffe antizipieren, nicht nur abwehren. Token-Missbrauch, KI-gestütztes Social Engineering, Edge-Angriffe und Lieferketten-Erpressung erfordern integrierte Sicherheitsstrategien. Sichtbarkeit, Automatisierung und resiliente Partnerschaften werden zu zentralen Wettbewerbsfaktoren – in Europa und weltweit.

Porträt Kristian von Mejer
Foto: Forescout

„Der deutschsprachige Markt wird 2026 besonders unter Lieferketten-Erpressung leiden“, so Kristian von Mejer, Forescout Director Central Europe.

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